Klostergeschichte
Das Haus der ersten Stunde
1873 waren die Redemptoristen aufgrund der laut Oskar Altenhöfer "unerklärlichen Kulturgesetzte Bismarcks" im preußisch-deutschen Kulturkampf aus Fährbrück vertrieben worden. Grund waren die so genanten "Maigesetze". So werden noch heute die im Deutschen Kaiserreich erlassenen kirchenpolitischen Gesetze bezeichnet, die im Mai der Jahre 1873, 1874 und 1875 verabschiedet worden sind.
Im Gesetz vom 11. Mai 1873 wurde etwa von jedem Geistlichen eine Schulausbildung, eine gewisse Universitätsbildung durch Studium und das Ablegen einer staatlichen Prüfung verlangt. Ein Reichsgesetz vom 4. Mai 1874, betreffend die Verhinderung der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern, erlaubte renitenten Geistlichen gegenüber gewisse Aufenthaltsbeschränkungen, ja sogar die Landesverweisung (so genanntes „Expatriierungsgesetz“). Das preußische Gesetz vom 31. Mai 1875 verbot alle Orden oder ordensähnlichen Kongregationen, abgesehen von solchen, welche sich der Krankenpflege widmeten.
Die Redemptoristen aus Gars am Inn waren vor ihrer Vertreibung aufgrund der Maigesetze nur sechs Jahre in Fährbrück gewesen. Erst am 13. März 1867 waren Pater Ziereis, Pater Hofmann und Bruder Johannes Baptist Jennewein in das Mesnerhaus neben der Kirche eingezogen. Ein Jahr später, 1868, hatten sie das Mesnerahaus zu klösterlichen Zwecken umgebaut. Es wurde seitdem „Klösterlein“ genannt. Eine dauerhafte befriedigende Lösung war das Klösterlein als Wohnsitz der Patres aber nicht. Es war eng, sonnenarm und feucht. Ein Neubau war dringend nötig.
So kauften die Redemptoristen von den drei Geschwistern Anna, Theres und Bärbel Hofmann ein Bauernhaus, in dem auch eine Gastwirtschaft war. Es lag an der gleichen Stelle wie das heutige Augustinerkloster. Die Redemptoristen rissen das Haus ab und bauen ein neues Kloster. Beziehen konnten sie ihr Kloster aufgrund der oben genannten Maigesetze aber nicht mehr. Am 15. Juli 1873 nahmen sie Abschied von der liebgewordenen Gnadenstätte, „beweint vom ganzen katholischen Volk der Umgebung“.
Von 1873 – 1880 wurde die Wallfahrt wieder vom Pfarrer aus Hausen versehen. In dieser Zeit erwarb sich der Hausener Pfarrer Kaspar Rothenbucher große Verdiente um die Wallfahrtskirche. Er ließ sie ausmalen und einen neuen Gnadenaltar aufstellen. Bis zur Renovierung im Jahr 1948 war die Kirche bunt ausgemalt.
1880 berief Pfarrer Kaspar Rothenbucher die Augustiner nach Fährbrück. Sie zogen in das neugebaute Kloster der Redemptoristen ein und übernahmen auch deren geistiges Erbe. Sie fühlten sich den Redemptoristen verpflichtet und bemühten sich, mit gleichem Eifer wie sie zu wirken und die Wallfahrt zu fördern. Obwohl die Wohnungsfrage mit dem vor sieben Jahren errichteten Haus gelöst war, wurde die Niederlassung der Augustiner in Fährbrück vom Ministerium rechtlich zunächst nicht als selbständiges Kloster genehmigt. Es war eine Filiale des Augustinerklosters Münnerstadt. Erst am 6. April 1891 wurde die Klostergründung der Augustiner in Fährbrück offiziell als eigenständig bestätigt. Es gab allerdings folgenden Einschränkungen: Nur zwei Patres wurden zugelassen, außerdem durfte das Kloster keine Novizen aufnehmen.
Von Anfang an wollten die Augustiner den Neubau des Klosters von den Redeptoristen käuflich erwerben. Diese jedoch wollten es um keinen Preis hergeben, denn sie hofften, eines Tages wieder in ihr geliebtes Fährbrück zurück zu kehren. Erst als sich diese ihre Hoffnung nicht erfüllte, entschlossen sie sich zum Verkauf ihres Hauses. Es wurde am 15. Juni 1891 für 13.800 Mark geschätzt. Am 5. Januar 1893 wurde der Kauf vom Ministerium endlich genehmigt. Schon im Juli des gleichen Jahres errichteten die Augustiner einen Erweiterungsbau. Schließlich bekam das Kloster im Jahre 1934 seine heutige Form und Größe. Im Neubau wurde alsbald eine Vorbereitungsschule mit 25 Klosterschülern untergebracht. Die Schüler hatten bisher im alten Klösterlein neben der Kirche in armseligen Verhältnissen gelebt.
Nach Kriegsende und der Räumung des Kinder-Landverschickungslagers im Kloster Fährbrück zohen wegen Wohnungsnot in Würzburg 25 Ritaschwestern und Novizinnen in das Fährbrücker Kloster ein. Nachdem sich die Wohnungsnot 1946 etwas gebessert hatte, gingen die Ritaschwestern wieder zurück nach Würzburg. In das Fährbrücker Kloster zogen wieder Schüler ein. Wegen Schülermangels wurde die Vorbereitungsschule in Fährbrück 1962 aufgelöst.
Heute sind die Augustiner des Klosters Fährbrück nicht nur für die Wallfahrts-Seelsorge zuständig sondern auch für sieben Kirchengemeinden rund um Fährbrück.Vom 1. März 1976 bis 23. Januar 2010 gab es den Pfarrverband Fährbrück, der sich aus fünf Pfarreien und zwei Filialen zusammensetzte.
In einem Festgottesdienst am 24. Januar 2010 in der Wallfahrtskirche Fährbrück hat Domvikar Christoph Warmuth von der Hauptabteilung Seelsorge im Bistum Würzburg im Namen von Bischof Friedhelm Hofmann die Pfarreingemeinschaft Fährbrück errichtet.
Die Pfarreiengemeinschaft Fährbrück besteht aus den gleichen Kirchengemeinden, die auch schon zum Pfarrverband Fährbrück gehörten. Das sind die Pfarrei St. Cyriakus, St. Laurentius und St. Maria Magdalena in Gramschatz, die Pfarrei St. Wolfgang in Hausen mit der Filiale St. Alban in Erbshausen-Sulzwiesen, die Pfarrei St. Vitus in Hilpertshausen mit der Filiale St. Nikolaus in Rupprechtshausen, die Pfarrei St. Lambertus in Opferbaum und die Pfarrei St. Ottilia in Rieden.
P.Pius Keller
Pater Pius Keller OSA (1825 – 1904)
Aus seinem Leben erzählt Pater Dr. Michael Wernicke
Am 30. September 1825 wurde dem Ehepaar Johann Keller und Margarete geb. Bauer, einfachen Landleuten, ein Sohn geschenkt, dem sie den Namen Johannes gaben. Die Familie wohnte in Ballingshausen, einem Dorf, das zwischen Schweinfurt und Münnerstadt liegt.
In Münnerstadt bezog der begabte Johann 1837 das Gymnasium, absolvierte 1844 als Primus und begann in Würzburg das Studium der Philosophie und klassischen Philologie, das er 1847 mit der Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen erfolgreich abschloss. Am 4. November 1846 war er in das Würzburger Klerikalseminar eingetreten. Am 7. April 1849 legte ihm Bischof Georg Anton von Stahl die Hände auf und weihte ihn zum Priester.
Dem jungen Geistlichen wurde eine Kaplanstelle in Königshofen angewiesen. In Münnerstadt erkrankte jedoch Pater Otto Dirnberger so schwer, dass er am 6. Juni 1849 erst 30jährig starb. Er war Lehrer, Professor, wie man damals sagte, am Gymnasium. Für die frei gewordene Stelle empfahl der Prior Pater Prosper Merkle, der ein Vorschlagsrecht hatte, den Johannes Keller. Pater Prosper war selbst Lehrer am Gymnasium, kannte also den ehemaligen Schüler Keller gut. Dieser trat, da der Vorschlag von der Regierung angenommen wurde, noch im April 1849 das Lehramt an und unterrichtete fortan Latein, Griechisch, Deutsch, Französisch und Religion mit Unterbrechungen bis 1897.
Während des Gottesdienstes am Fest des hl. Augustinus, am 28. August 1849, den Keller in einem kleinen Seitenchor über dem Presbyterium der Münnerstädter Klosterkirche knieend mitfeierte, hatte er ein Berufungserlebnis, eine innere, vielleicht mystische Erfahrung, die ihn dazu trieb, den Prior Prosper Merkle um Aufnahme in den Augustinerorden zu bitten. Am 15. Oktober begann er das Noviziatsjahr unter der Leitung von Pater Adeodat Zumwald. Fortan nannte sich Keller Pater Pius. Bereits 1853 wurde er, der Jüngste im Konvent, zum Prior gewählt. 1859 ernannte ihn der Generalprior Paolo Micaleff zum Generalkommissar der Augustinerklöster in Deutschland, von denen es damals freilich nur zwei gab: in Münnerstadt und in Würzburg.
Als Pater Pius die Gelübde ablegte, hatten die deutschen Augustiner die Talsohle allergrößter Personalknappheit bereits durchschritten. In Münnerstadt lebten neun Patres und sechs Laienbrüder, in Würzburg waren zwei Priester und vier Conversen. Der älteste der Patres war Pater Adeodat Zumwald, der 1805 geboren 45 Jahre zählte, dem Pater Alois Braun und Pater Gregor Kempf mit jeweils 39 Lebensjahren folgten. Alle Übriegen hatten das 35. Jahr noch nicht erreicht. Von den Brüdern lebte noch Wilhelm Nürnberger, der 1787 geboren der Senior der kleinen Schar war, und der 58jährige Sebastian Busch. Beide wohnten in Würzburg. Die Übrigen waren wesentlich jünger als die beiden. Nach dem Eintritt des Pater Pius floss der Nachwuchs allerdings spärlich. Von 1853 bis 1856 legten noch zwölf Klerikernovizen die Profess ab. Ihnen folgte von 1857 bis 1862 niemand. 1863 weihte sich Dominikus Behr dem Orden durch die Profess, 1866 Ambrosius Kelber, der kurz nach der Gelübdeablegung starb, 1867 der spätere Provinzial Josef Krapf, 1869 Simon Schreck, 1872 Ferdinand Weckert, der bereits Priester, in die Diözese Würzburg übertrat und als Pfarrer von Brendlorenzen starb, und 1873 Possidius Metzler. In der langen Periode von 1857 bis 1873 waren es also vier Priester, die sich dauerhaft dem Orden verbanden.
Trotz der geringen Mitgliederzahl wagte Pater Pius 1864 eine Neugründung in Germershausen, dem Wallfahrtsort zu Maria in der Wiese, gelegen im katholischen Eichsfeld, damals zum Königreich Hannover gehörig, 1866 von Preußen annektiert, wodurch es in den Strudel des Kulturkampfes geriet und aufgelöst wurde, was dem Pater Pius herbe Enttäuschung bereitete; denn für diese Gründung hatte er gearbeitet, gebetet und gelitten. Er hatte wohl die Hoffnung daran geknüpft, ein Kloster nach seinen Vorstellungen zu errichten. Münnerstadts eingefahrene Gleise schienen ihm eine zu bequeme Fahrt zu garantieren. In einem Artikel, den Pater Alois Braun zu Werbezwecken geschrieben hatte, ist von einer Gratifikation von 150 Gulden die Rede, welche den Patres Professoren zur Verfügung stünde, von einer Maß Bier zu Mittag und einer Bouteille Wein am Abend und von Wohnungen, die im Vergleich zu denen in anderen Klöstern elegant zu nennen seien. Vor allem das Geld, das die Patres verdienten und behielten, war dem reformeifrigen Pius ein Dorn im Auge . Er wollte die persönliche Armut, wie sie die Regel vorsieht und wie sie Voraussetzung für das vollkommene gemeinsame Leben ist, und setzte sie schließlich auch durch.
Um dem Nachwuchsmangel abzuhelfen fing Pater Simon Schreck an, Interessierte in Privatstunden auf das Gymnasium vorzubereiten. Nach einigen Fehlschlägen war Andreas Kraus der Erste, den 1885 Pater Simon unter seine Fittiche genommen hatte und der tatsächlich als Frater Gelasius die Profess ablegte, Lehrer am Gymnasium wurde und in Amerika Pionierarbeit für Niederlassungen der deutschen Augustiner leistete. Das war der Beginn der Klosterschule, die sich, nachdem Pater Pius mit den Behörden verhandelt hatte, 1890 mit allen nötigen staatlichen Genehmigungen etablieren konnte. Von 135 Zöglingen, die das Institut bis zum ersten Weltkrieg durchliefen, sind zwar nur 25 wirklich Augustiner geworden. Die Klosterschule trug dennoch wesentlich dazu bei, dass die Zahl der Ordensmitglieder in Deutschland langsam, aber stetig wuchs.Nach eigenen Aufzeichnungen des Pater Pius waren 1888 im Kommissariat 20 Priester, ein Kleriker, ein Klerikernovize und 25 Laienbrüder, die sich auf vier Klöster verteilten: Münnerstadt, Würzburg, Germershausen, das der Orden wieder beziehen konnte, nachdem Bismarck mit Papst Leo XIII. seinen Frieden gemacht hatte, und Fährbrück. Am 2. Oktober 1895 konnte das Generalkapitel in Rom die bayerisch-deutsche Ordensprovinz errichten, und Pater Pius zum ersten Provinzial wählen. Am 29. Dezember desselben Jahres zählte Pater Pius noch einmal die Häupter seiner Lieben: 27 Patres, 13 Kleriker, fünf Klerikernovizen waren es. Die Namen der Laienbrüder nennt er nicht. Es waren jedoch gewiss ihrer 30. Pater Pius erlebte noch, wie 1902 das Kapitel der neu errichteten Provinz einen neuen Provinzial wählte, seinen Nachfolger: Pater Vinzenz Schneider.
Am 15. März 1904 starb Pater Pius Keller, hoch verdient um Kirche und Orden, bekannt und angesehen in der ganzen internationalen Familie der Augustiner.
Aus augustiner.de Nr. 11 – März 2004
Zum Gedenken an den 100. Todestag von Pater Pius Keller
P. Clemens Fuhl
Geliebtes Leben, gelebter Glaube
Pater Clemens Fuhl 1874 – 1935
In der bolivianischen Hauptstadt La Paz vollendete sich am 31. März 1935 ein Leben, das 1874 im unterfränkischen Dorf Aidhausen begonnen hatte, das leben des Pater Clemens Fuhl. Er hat die deutsche Augustinerprovinz geprägt, wie nur wenige vor und nach ihm. Der Prägende Einfluss wirkt auch nach seinem Tode noch weiter.
Medizinisch ist der Fall ziemlich klar: Am Soroche – so wird die Höhenkrankheit in den Anden genannt – ist er am 31. März 1935 gestorben, der damalige Ordensgeneral der Augustiner, der sein Leben lang ein einfach-ärmlicher Bauernbub aus dem unterfränkischen Dorf Aidhausen blieb, der ein ungewöhnlich weitblickender Mann war, der aber am liebsten sein leben lang bescheiden im zweiten Glied gestanden hätte, der indes immer wieder nach vorn geschoben wurde, dorthin, wo die Luft dünn wird und der Kameraden wenige sind, der dort dann auch starb, in der dünnen Luft der Anden, der Pater Clemens Fuhl.
60 Jahre war er alt, als er mit dem Zug nach La Paz fahren wollte, um die dort arbeitenden holländischen Augustiner zu besuchen. Die rein technische Seite eines solchen Unternehmens sieht so aus, dass der Zug sich von Meereshöhe aus auf die Höhe von 4.100 Meter windet, um dann wieder nach La Paz hinunter zu fahren, der mit etwa 3.700 Meter höchstgelegenen Hauptstadt der Welt. Und auf irgendeinem dieser Höhenmeter schlägt der Soroche bei Besuchern aus dem Flachland zu. Unweigerlich. Bei Geschwächten sogar mit tödlicher Sicherheit. Wie bei Pater Clemens, der nur noch einen funktionierenden Lungenflügel besaß.
Der Soroche spannt dem von ihm Heimgesuchten die Gesichtshaut wie ein Trommelfell; er drückt ihm die Augäpfel so weit in die Höhlen, dass es ihm die Lider verspannt; er zieht ihm so viel Blut aus dem Hirn, dass sich seine Gedanken nur noch mit dem Schlafen beschäftigen möchten; er lässt ihn nach einer zu schnell genommenen Treppe nach Luft japsen wie bei einem Anfall von Angina pectoris. Mit Cocatee lassen sich die Symptome am besten bekämpfen, Tee aus den Blättern jenes Strauches, dessen Laub zu einem Prozent aus Kokain besteht. Diese Spuren des Rauschgifts treiben den Kreislauf hoch, beseitigen die infolge Sauerstoffmangels aufgetretenen Kopfschmerzen, halten einen für sechs bis acht Stunden fit, bis der Patient sich nach zwei bis drei Tagen an die Höhe gewöhnt hat.
Wie konnte man einem 60-jähirgen Mann mit einer nicht voll funktionsfähigen Lunge solch eine Tortur zumuten? Wer hat dem gesundheitlich angeschlagenen Mann diese mörderische Tour zugemutet? Die Antwort heißt: Niemand, außer er selbst. In Rom war ihm an der Ordenskurie sogar davon abgeraten worden.
Der holländische Augustinerpater Otsen, der damals in La Paz arbeitete, war Zeuge der letzten Tage des Ordensgenerals. Er schrieb, niemand habe damit gerechnet, dass Pater Clemens im Zuge seiner Südamerikavisitation auch nach La Paz hinaufkommen würde. Erst von Santiago de Chile aus telegraphierte er seinen Besuchswunsch. Er war es also selbst, der seine letzte Reise initiierte. Von der Höhenkrankheit, dem Soroche, wusste er offensichtlich nichts.
Aber warum tritt ein Mann mit einer angeschlagenen Gesundheit überhaupt so eine strapaziöse Reise an, die offensichtlich niemand von ihm erwartet hatte? Von ihm selbst gibt es keine Hinweise auf eine Antwort. Sie muss aus den Charakterzügen herausgefiltert werden, die seine Chronisten an ihm schildern. Und da scheint es das Pflichtbewusstsein gewesen zu sein, das ihn nach La Paz trieb. Gewiss, es lebten nur weinige Augustiner in der dünnen Luft der Anden. Niemand hätte es dem kranken Mann übel genommen, wenn er die bei seiner Visitation ausgelassen hätte. Doch er war Oberer des ganzen Ordens, auch des entferntesten Augustiners. Er hatte sich nicht im geringsten nach diesem Posten gedrängt, aber er stellte sich ihm dann mit der letzten Konsequenz, ohne einen Hauch von Wehleidigkeit.
Der alte Mann hatte sich damit eine Eigenschaft bewahrt, die ihn schon als kleinen Jungen auszeichnete. Am 18. Juni 1874 wurde er in Aidhausen, unweit von Schweinfurt, geboren und erhielt den Namen Vinzenz. Als Landwirt und Töpfermeister konnte der Vater seine Frau, sechs Kinder sowie einen Großvater und eine kranke Tante zwar nicht üppig, aber doch gut über die Tage bringen.Im Alter von 40 Jahren aber starb er, und von da an war die Not Tischgast im Hause Fuhl. Einmal sah Vinzenz seine Mutter weinen. Als er sie nach dem Warum fragte, musste sie ihm gestehen, kein Brot mehr für ihre Kinder im Haus zu haben. Für Extras war bei den Fuhls also überhaupt kein Geld im Beutel. Doch so ein Extra stellte sich der Junge vor, etwas, das Geld kosten würde, denn er wollte Priester werden.
An diesem Punkt tauchte erstmals ein seinem Leben jemand auf, der ihm eine unerwartete Chance gab, bei dem er sich dann mit sorgfältigster Pflichterfüllung bedankte. Sein Heimatkaplan Gregor Schmitt erfuhr von dem Wunsch des Jungen, bereitete ihn auf das Gymnasium in Münnerstadt vor und machte ihn mit dem Prior des dortigen Augusttinerklosters bekannt, mit Pater Pius Keller. Dieser Wiederbegründer der durch die Säkularisation fast völlig zerstörten Augustinerprovinz, wurde für den kleinen Vinzenz Fuhl zur endgültig prägenden Gestalt seines Lebens. Pater Pius besorgte ihm zunächst in Münnerstadt eine Bleibe bei guten Hausleuten und brachte ihn ab 1888 auf einen Freiplatz im Studienseminar unter. Der junge Mann dankte seinen Förderern 1893 mit einem glänzenden Abiturzeugnis. Am 17. September 1893 begann er mit dem Noviziat sein Leben als Augustiner; Novizenmeister war Pater Pius.
Was nun folgt, sind Daten und Fakten, die sich dürr lesen, hinter denen sich aber Stoff für drei Lebensläufe verbirgt. 18.09.1984 Ablegung der einfachen Gelübde. 01.08.1897 Priesterweihe. 1902 Definitor (Berater des Provinzials) und Novizenmeister. 1905 Sekretär des Provinzials. 1908 Klerikermagister. Dann Priorat und verschiedene andere Posten. Schließlich dreimalige Wahl zum Provinzial: 1920, 1924, 1927. Der kirchenmausarme Dorfbub hatte Karriere gemacht. Äußerlich. Innerlich blieb er der kleine Vinzenz, der darum weiß, wie hart es ist, wenn eine Mutter für ihre Kinder nicht genug zu beißen hat. Die Autoren seiner Lebensbilder benutzen daher immer wieder die Begriffe Demut, Treue, Hilfsbereitschaft, Anspruchslosigkeit und Frömmigkeit, wenn sie versuchen, die Ausstrahlungskraft dieses Mannes zu beschreiben.
Von Natur aus, so sagen sie, sei er eher zurückhaltend gewesen, mehr der beschaulicheren Lebensweise zuneigend als der eines Aktivisten. Das hinderte ihn indes nicht daran, klare Führungsarbeit zuVon Natur aus, so sagen sie, sei er eher zurückhaltend gewesen,leisten, kühne Planungen zu beginnen und auch erfolgreich durchzuziehen. Als er 1920 Provinzial wurde, zählte die deutsche Ordensprovinz 175 Mitglieder.
In den Klosterschulen, der Brüderschule, in Noviziat und Klerikat interessierten sich zunehmend mehr junge Leute für den Orden. Sie zu ernähren war im Deutschland der Reparationsjahre und der Inflation äußerst schwierig. Das wagte Pater Clemens den Sprung über den großen Teich, schickte Provinzmitglieder nach Nordamerika, um für die deutsche Provinz Geld zu verdienen. Am 25. Mai 1922 reiste Pater Gelasius Kraus als erster ab. Aus diesem Wagnis erwuchs die heutige kanadische Augustinerprovinz.
1929 fuhr Pater Clemens zum zweiten Mal nach Nordamerika. Wieder, um die dortigen Mitbrüder zu visitieren, doch zugleich mit dem Gedanken, von dort aus die Leitung der Heimatprovinz niederzulegen, was er dann auch tat. Die Zahl der deutschen Augustiner war inzwischen auf 450 angewachsen. Er war froh, die so lange getragene Verantwortung in jüngere Hände übergeben zu können. Seelsorger wollte er sein, nichts weiter. „Der gute alte Mann“ nannten ihn die Amerikaner und beschrieben damit ziemlich genau das, was sich der Bauernbub aus Aidhausen für seine alten Tage vorgestellt hatte.Bis dann 1931 beim Generalkapitel in Rom die Wahl des neuen Ordensoberen anstand. Der gute alte Mann in Nordamerika wehrte sich mit Händen und Füßen, dorthin geschickt zu werden. Er wurde aber wieder einmal in die Pflicht genommen, er musste nach Rom. Und am 28. September 1931 war er der Generalobere des Gesamtordens. Der beschauliche Lebensabend war vorbei.
Wie gewohnt kniete er sich voll und pflichtbewusst in seine Aufgabe, ohne sich zu schonen. Schonte sich entgegen den Ratschlägen derer, die ihn jetzt plötzlich zur Rücksichtnahme auf sein Alter und seine Konstitution rieten, so wenig, dass er auch die letzten Mitbrüder in den Anden besuchen wollte. Er bestieg in Arica auf Meereshöhe den Zug nach La Paz, der auf knapp 400 Kilometer Luftlinie 4.100 Höhenmeter zu bewältigen hat.
Im Grenzbahnhof Charana auf 4.100 Meter Höhe ist ihm schlecht, er legt sich im Dorfgasthaus zu Bett. Der holländische Augustinerpater Otsen, der ihm und seinen beiden Begleitern entgegen gefahren ist, geht zu ihm aufs Zimmer, spricht kurz mit ihm, sagt: „Gute Nacht, bis morgen.“ Der Kranke nickt, murmelt etwas Entsprechendes. Niemand ahnt, dass es seine letzten Worte sind. Am nächsten Tag, dem 29. März, ist er bewusstlos. In einem Expresswagen der Bahn wird er nach La Paz gebracht. Kurz vor der Einfahrt in die Stadt muss der Wagen anhalten. Ausgerechnet in diesen Minuten weht aus der nahen Salpeterfabrik eine Abgaswolke über die Bahnlinie und belastet den von der Höhenkrankheit Niedergeworfenen noch mehr. In La Paz wird mit Spritzen und konzentriertem Sauerstoff versucht, sein Leben zu retten, doch am 31. März 1935 ist er tot, gestorben an Lungenlähmung.
„Pater“, sagte Pater Clemens einmal einem Mitbruder, „Pater, wenn unsere Zeit um ist, dann ziehen wir uns verschämt in einen stillen Winkel zurück und sind froh, dass die Menschen nicht mehr von uns sprechen.“ Zu Lebzeiten war ihm das nie beschieden und auch heute hat er noch vielen eine Menge zu sagen. Sein Seligsprechungsprozess läuft seit 1962.
Zusammenstellung von Pater Roger Gerhardy OSA. Herausgegeben vom Provinzialat der deutschen Augustiner, Dominikanerplatz 2, 97070 Würzburg, Tel. 0931/ 3 09 70
Der Seligsprechungsprozess
Sofort nach Pater Clemens Tod geschah in seiner Sterbeklinik ein erstes Zeichen der durch ihn vermittelten Hilfe. Eine Schwester war plötzlich von einem schweren Rheumaleiden geheilt. Der letzte Anstoß für einen Seligsprechungsprozess war die wunderbare Heilung einer Patientin von einer medizinisch unheilbar geltenden Rückenmark-Tuberkulose im Jahre 1938.
1962 wurde beim Bischof von Würzburg der Antrag gestellt, das Verfahren zu eröffnen. Im Jahre 1965 kamen die Akten nach Rom, wie sie als rechtsgültig anerkannt wurden. Die Schriften des Pater Clemens Fuhl wurden geprüft und als positiv bewertet.
Konvent
Der Konvent der Augustiner in Fährbrück
In Fährbrück ist eine kleine Niederlassung der deutschen Augustiner mit ihrem Mutterhaus in Würzburg. Die Seelsorger sind über das Büro der Pfarreiengemeinschaft bzw. das Kloster Fährbrück erreichbar. Kontaktdaten finden Sie hier.
Aktuell leben im Augustinerkloster Fährbrück:
Prior Pater Jakob Olschewski
Pater Edmund Popp und
Pater Romuald Grzonka